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Kulturspiegel 12/2013

In die Hausbar eines Bildungstrinkers gehört ein alter Brandy De Jerez, in sein Bücherregal diese Kulturgeschichte der Cocktails und der Spirituosen. Sie sieht aus , als sei sie alt, dabei ist sie nur liebevoll gemacht: mit einem packpaperfarbenen Einband und feingrauen illustrationen. Die Optik ist klassisch reduziert wie die eines guten Drinks: ohne Schirmchen, Früchten und Chichi, mit ganz viel Stil.

Der Text beruht auf einer Vortragsreihe der preisgekrönten Bar  in der Potsdamer Straße in Berlin. Er ist zu anregend, um ihn nüchtern zu lesen, aber historisch zu ausschweifend, um ihn nach drei Drinks noch zu verstehen. Und so gilt für die Lektüre des Buches, was Peter Richter im Nachwort über den Barbesuch schreibt: "Wer am Ende torkelt, hat es falsch gemacht. Wer nicht mal ein bischen wankt, allerdings auch."

Mixology Magazin für Barkultur 5/2013

Für das Mixen von Drinks und die Arbeit hinterm Tresen brauchte es Fingerspitzengefühl. Seinen Sinn für Nuance und Nonchalance beim Cocktailgenuss hat das Team der Berliner Victoriabar schon längst bewiesen. Beate Hindermann, Kerstin Ehmer und Stefan Weber verstehen sich auch auf die Zusammenstellung sprachlicher Ingrediezen. "Schule der Trunkenheit" heißt die legendäre Veranstaltungsreihe aus Vorträgen, Verkostungen, und Erkundungstouren, die die Victoriabar seit 2003 ausrichtet. Im zehnten Jubiläumsjahr kann man jetzt die vielen, über die Jahre gesammelten Erkenntnisse und Anekdoten rund ums "gepflegte Genießen" nachlesen.

Das Buch will mehr sein, als ein unterhaltsames Nachschlagwerk. untergliedert in einzeln "Semester" wird die Geschichte der wichtigsten Staatsbibliothek gleich um die Ecke oder bereisten auf der Suche nach den Geheimnissen der Alkoholika die Welt. Nicht aber die Entwicklung der jeweiligen Spirituose selbt bildet im Buch den roten Faden, sondern der mal erquickliche, mal verderbliche Einfluss des Alkohols auf Politik, Gesellschaft und Kultur. So lernt man im Semester Gin, dass der Martini schon lange bevor James Bonds prägnanten "shaken, not stirred" ein ikonischer Filmdrink war und gerade wegen seiner vielen prominenten Auftritte auf Zelluloid zu dem Cocktailklassiker schlechthin avancierte.Das Vodkasemester berichtet von Zar Ivan, dem Schrecklichen und seiner Einführung staatlicher Tavernen, die es vorher in dieser Form in Russland nicht gegeben hatte.  Der Zar finanzierte aus den neuen Steuereinnahmen seine Kreuzzüge und legte seinem Volk den Grundstein für eine maßlose Trunksucht.

"Write drunk, edit sober" rät Ernest Hemingway denjenigen,die die einsiedleriche Tätigkit des Schreibens erfolgreich mit den Räuschen des Nachtleben zu kombinieren versuchen. Die Autoren haben seinen Rat befolgt. Die fast betrunkene Leidenschaft, aber auch nüchterne Präzision, mit der sie ihr Thema behandeln sind mitreißend und anregend wie ein guter Cocktail. wenn sie die Bar als ort universellen menschlichen Zwiespalt beschreiben, kling das fast erschrekend treffend und gar nicht kitschig:" Mit Einbruch der Dämmerung wird der Ruf der Drinks lauter. seit Jahrhunderten tobt der Kampf um Tun und lassen, um Katharsis und Kater. es steht unentschieden."